Pressemitteilung von PtW Forum und PsyFaKo e.V.

Kundgebung zur fehlenden Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung

Berlin, 16.10.2024: “Weiterbildung finanzieren jetzt” – das haben heute 400 Personen vor dem Deutschen Bundestag in Berlin gefordert. Die Bundestagsabgeordneten Dirk Heidenblut (SPD), Alexander Föhr (CDU) und Kathrin Vogler (Die Linke) unterstützten die Kundgebung. Das breite Bündnis aus Psychologiestudierenden, Kammern, Verbänden, Ausbildungsstätten, Universitäten und weiteren Interessensgruppen forderte erneut gesetzliche Regelungen zur psychotherapeutischen Weiterbildung im Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG). Organisiert wurde die Kundgebung von der Psychologie-Fachschaften-Konferenz (PsyFaKo e.V.) und dem PtW Forum. Absolventinnen der neuen Psychotherapie-Studiengänge benötigen die fünfjährige Weiterbildung, um Fachpsychotherapeutinnen zu werden. Der psychotherapeutische Nachwuchs und Unterstützer*innen haben für ihre Zukunft und eine gesicherte, zukünftige psychotherapeutische Versorgung in Deutschland demonstriert.

„Wir haben viel Hoffnung in die Reform gesteckt. Aber jetzt – 5 Jahre später – fühlt es sich immer noch so an, als ob wir noch am Anfang stehen. Die ganze Hoffnung, die wir und unsere Kommilitoninnen hatten, verwandelt sich in Angst und Verzweiflung. Angst, wie es nach dem Studium für uns weitergeht. Verzweiflung, wie es in 5 – oder 10 Jahren um die Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen steht“, so beschreiben Sophie Hartmann (Masterstudentin aus Köln) und Luisa Baumgärtner (Masterstudentin aus Leipzig), Vertreterinnen des PsyFaKo e.V., ihre Situation und die ihrer Kommilitoninnen

Lena Glade (Masterstudentin aus Berlin) und Sara Weber (Masterstudentin aus Lübeck) kämpfen ebenfalls für die zukünftige psychotherapeutische Versorgung: „Auch wir fühlen diesen Unglauben über die Kurzsichtigkeit und Fahrlässigkeit, mit der momentan vom Gesundheitsministerium in Kauf genommen wird, dass die psychotherapeutische Grundversorgung der kommenden Jahre und Jahrzehnte in realer Gefahr schwebt.“

Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert: „Was vor fünf Jahren verpasst wurde, muss jetzt endlich gesetzlich gesichert werden: Die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung muss ins Gesetz! […] Denn ohne Fachpsychotherapeut*innen ist die psychotherapeutische Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Zukunft nicht mehr sichergestellt. Das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten.“

Seit September 2020 besteht der Qualifizierungsweg für Psychotherapeutinnen aus einem Studium und einer anschließenden fünfjährigen Weiterbildung. Die Heilberufsgesetze der Länder sehen vor, dass die gesamte Weiterbildung als Fachpsychotherapeutin hauptberuflich in gesicherten Anstellungsverhältnissen und mit einem angemessenen Gehalt erfolgt. Der Handlungsbedarf ist äußerst dringend, da es bereits jetzt hunderte Absolvierende der neuen Studiengänge und in der Folge die ersten neuapprobierten Psychotherapeutinnen gibt. Ihre Zahl wird bis 2025 jährlich auf mindestens 2.500 steigen. Diesen ersten Generationen muss es möglich sein, ohne große Verzögerungen unter den gesetzlich vorgegebenen Rahmenbedingungen die Weiterbildung zumzur Fachpsychotherapeut*in zu absolvieren, um anschließend zur psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland beizutragen.

Im Kabinettsbeschluss des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) wurde eine Regelung zur Finanzierung der Weiterbildung zwar aufgenommen, diese beinhaltet aber lediglich eine Refinanzierung der abrechenbaren Versorgungsleistungen der angestellte Psychotherapeutinnen in Weiterbildung in den Weiterbildungsambulanzen. Bei der Verhandlung der Ambulanzen mit den Krankenkassen über die Höhe der Vergütung für diese Versorgungsleistungen sollen notwendige Betriebskosten der Ambulanzen für die Durchführung der Weiterbildung aber ausdrücklich nicht berücksichtigt werden. Damit können in der ambulanten Weiterbildung keine angemessenen Gehälter bezahlt und zugleich die festgelegten Weiterbildungselemente wie Theorie, Selbsterfahrung und Supervision finanziert werden. Der notwendige Bedarf an Weiterbildungsplätzen kann nur sichergestellt werden, wenn neben den Ambulanzen auch Praxen, Kliniken und institutionelle Einrichtungen entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stellen können. Für diese sieht der Kabinettsentwurf zum GVSG keinerlei Regelungen vor. Ohne solche Regelungen wird es nicht ausreichend Weiterbildungsplätze für die Absolventinen geben. Es bedarf daher dringend Nachbesserungen im GVSG im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. Nur so kann die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland und die berufliche Zukunft der nächsten Generation Psychotherapeut*innen gewährleistet werden.

Bereits im Mai letzten Jahres haben Studierende mit einem bundesweiten Aktionstag zur Finanzierung der Weiterbildung in mehreren Städten auf den Handlungsbedarf und die fehlende Finanzierung aufmerksam gemacht sowie mit einer Kundgebung im April 2024 anlässlich des 44. Deutschen Psychotherapeutentags in Würzburg. Im Juni 2024 demonstrierten erneut über 700 Personen für die Finanzierung der Weiterbildung vor dem deutschen Bundestag. Mit einer weiteren Demonstration im Juni 2024 anlässlich der Anhörung des GVSG wiesen Studierende und Unterstützer*innen erneut auf die Dringlichkeit gesetzlicher Regelungen hin. Zudem wurde von Felix Kiunke, Absolvent des Masterstudiengangs Klinische Psychologie und Psychotherapie und neuapprobierter Psychotherapeut, eine gemeinsame erfolgreiche Petition des Berufsstandes mit 72 000 Mitschriften eingereicht.

Die Absolvent*innen des Psychotherapie-Masters stehen weitestgehend ohne Weiterbildungsplätze da. Ihre Zukunft ist ungewiss und kaum planbar. Ohne die Weiterbildung können sie nicht die erforderliche Qualifikation für die psychotherapeutische Praxis erlangen. Da alle bisherigen Bemühungen und Sorgen nicht ausreichend berücksichtigt wurden, haben Studierende und Neuapprobierte heute erneut auf ihre Situation und die fehlende Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung aufmerksam gemacht.