Gemeinsame Stellungnahme von PtW Forum und PsyFaKo e.V. zum GVSG

Stellungnahme des Psychologie Fachschaften Konferenz e.V. (PsyFaKo) und des PtW Forums zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) der Bundesregierung

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Psychologie Fachschaften Konferenz (PsyFaKo e.V.) ist die Interessensvertretung aller Psychologiestudierenden im deutschsprachigen Raum. Das Forum für Psychotherapeutinnen in Weiterbildung (PtW Forum) setzt sich bundesweit für die Interessen der (zukünftigen) Psychotherapeutinnen in Weiterbildung ein. Als psychotherapeutischer Nachwuchs möchten wir gemeinsam zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) der Bundesregierung vom 22.05.2024 Stellung beziehen.

Wir begrüßen die im Entwurf enthaltene separate Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche. Mit großer Sorge sehen wir jedoch die nach wie vor unzureichende gesetzliche Regelung der Finanzierung aller Teile der ambulanten und stationären psychotherapeutischen Weiterbildung sowie die fehlende Reform der Bedarfsplanung für vertragspsychotherapeutische Kassensitze.

Finanzierung der Weiterbildung
Die Reform des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) 2019 hatte zum Ziel, die prekären Ausbildungsverhältnisse für Psychotherapeutinnen zu beenden und eine angemessene Bezahlung der Psychotherapeutinnen in Weiterbildung sicherzustellen. Die fünfjährige Weiterbildung nach dem Studium und der Approbation ist künftig die Voraussetzung, um als Fachpsychotherapeutin zur Versorgung beizutragen. Die Finanzierung sowohl des ambulanten als auch des stationären Teils der psychotherapeutischen Weiterbildung ist jedoch bisher unzureichend geregelt, was zur Folge hat, dass es bislang nahezu keine Weiterbildungsplätze für Psychotherapeutinnen gibt. Die unzureichende Finanzierung der Weiterbildung führt zu einem effektiven Ausbildungsstopp des psychotherapeutischen Nachwuchses, da das bisherige Ausbildungssystem mit der Reform des PsychThG abgeschafft wird. Mittlerweile haben bereits mehrere hundert Masterabsolvierende nach einem mindestens fünfjährigen Studium ihre Approbationsprüfungen abgelegt, ohne einen Weiterbildungsplatz in Aussicht zu haben. Ab 2025 ist jährlich mit mindestens 2.500 neu approbierten Psychotherapeutinnen zu rechnen, die bereit stehen, die anschließende Weiterbildung zu absolvieren und Patientinnen zu versorgen. Angehende (Fach-)Psychotherapeutinnen leisten schon in ihrer Aus- bzw. Weiterbildung einen entscheidenden Beitrag zur psychotherapeutischen Versorgung. Ohne eine finanzielle Förderung der ambulanten und stationären Weiterbildung kann die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland nicht sichergestellt werden. Damit die Psychotherapeutinnen in Weiterbildung im Rahmen der Weiterbildung und darüber hinaus zur psychotherapeutischen Gesundheitsversorgung beitragen können, bedarf es gesetzlicher Rahmenbedingungen für deren Finanzierung, die im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz geregelt werden müssen.

Finanzierung der ambulanten Weiterbildung in Ambulanzen
Mit der Reform des PsychThG 2019 wurde die Vergütung der Psychotherapeut*innen in Weiterbildung in § 117 Abs. 3c SGB V geregelt. Da dieser nicht sachgerecht auf die angestellt beschäftigten Weiterbildungsteilnehmenden anwendbar ist, begrüßen wir die Herausnahme dieser im Gesetzesentwurf. Zu begrüßen ist die Aufnahme der Weiterbildungsambulanzen in § 120 SGB V, die rechtssystematisch passend ist und diesen ermöglicht, ihre Vergütung selbst mit den Krankenkassen zu vereinbaren.

Der neu eingefügte Satz 4 in § 120 ist jedoch unbedingt zu streichen, denn die vorgeschlagene Formulierung verhindert eine ausreichende Finanzierung der ambulanten Weiterbildung für angehende Fachpsychotherapeutinnen. Dieser Satz beschränkt die in den Vergütungsverhandlungen berücksichtigungsfähigen Leistungen auf diejenigen, die „gegenüber Versicherten erbracht werden“. Für eine leitliniengerechte Patientinnenbehandlung auf hohem Niveau sind jedoch alle Teile der Weiterbildung zwingend erforderlich. Ein hoher Qualitätsstandard in den Weiterbildungsbehandlungen kann nur gewährleistet werden, wenn alle Bestandteile, also Supervision, Theorie und Selbsterfahrung, auskömmlich finanziert werden. Bei der Veranschlagung des Finanzierungsbedarfs ist dabei zu berücksichtigen, dass die Weiterbildungsteilnehmenden Behandlungsleistungen nur in einem Teil der Arbeitszeit erbringen können, damit ihnen daneben noch ausreichend Zeit für weitere Pflichtbestandteile der Weiterbildung, wie Theorievermittlung und Supervision, bleibt.

Die vorgeschlagene Regelung verhindert eine ausreichende Finanzierung und gefährdet dadurch die erhebliche psychotherapeutische Versorgungsleistung, die durch die Hochschul- und Weiterbildungsambulanzen in vielen Kommunen erbracht wird. Dies macht auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme deutlich und weist auf die Dringlichkeit der Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung hin. Angesichts des akut gefährdeten Fortbestehens der Aus- und Weiterbildungsinstitute sind ausreichende Regelungen im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz dringend erforderlich.

Finanzierung der ambulanten Weiterbildung in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)
Neben den Weiterbildungsambulanzen kann der ambulante Teil der psychotherapeutischen Weiterbildung auch in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) absolviert werden. Auch hier besteht jedoch derzeit eine Finanzierungslücke zwischen den Kosten der Weiterbildung und der erbrachten Leistung der Psychotherapeutinnen in Weiterbildung. Um diese zu decken, ist eine Förderung in Form eines Gehaltszuschusses für die Weiterbildungsteilnehmenden notwendig. Eine Regelung könnte analog zur bereits bestehenden finanziellen Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin innerhalb des § 75a SGB V erfolgen, wobei sichergestellt werden muss, dass die von Psychotherapeutinnen in Weiterbildung erbrachte Leistung nicht als Vergrößerung des Kassensitzes berechnet wird. Die näheren Regelungen der Förderung sollten zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit Einbindung der Bundespsychotherapeutenkammer erörtert werden.

Die ambulante Weiterbildung in Praxen und MVZ spielt insbesondere im ländlichen Raum, der durch Weiterbildungsambulanzen weniger erschlossen ist, eine zentrale Rolle. Daher ist auch hier eine Regelung innerhalb des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz unabdingbar, um die Zukunft der psychotherapeutischen Versorgung in allen Regionen zu sichern. Zu berücksichtigen sind auch hier die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, beispielsweise durch die Festlegung einer Mindestzahl geförderter Plätze im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Ähnliches gilt auch für den Bereich der Neuropsychologischen Psychotherapie.

Finanzierung der stationären Weiterbildung
Derzeit leisten Psychotherapeutinnen in Ausbildung einen bedeutenden Anteil der stationären Psychotherapie. Bis zum Auslaufen der Übergangsfrist 2032 (Härtefälle: 2035) wird die Zahl der Ausbildungsteilnehmenden stetig sinken. Daher kann die psychotherapeutische Versorgung ohne Psychotherapeutinnen in Weiterbildung nicht sichergestellt werden. Diese kann nur durch eine entsprechende Finanzierung der stationären Weiterbildungsstellen ermöglicht werden. Insbesondere in der Übergangszeit, in der sowohl Psychotherapeut*innen in Aus- sowie in Weiterbildung in der stationären Versorgung tätig sind, besteht ein besonderer Finanzierungsbedarf, um neue Weiterbildungsstellen zu schaffen. Die Refinanzierung der Personalmehrausgaben für die Psychotherapeutinnen in Weiterbildung in Kliniken muss in die Bundespflegesatzverordnung aufgenommen werden, wie es für die Vergütung der Psychotherapeuteninnen in Ausbildung in § 3 Abs. 3 Nr. 7 BPflV bereits geschehen ist. Dabei sollte die Berücksichtigung der Personalkosten der Psychotherapeut*innen in Weiterbildung geregelt werden, wobei eine Vergütung in tarifvertraglicher Höhe sichergestellt werden muss. Ohne eine entsprechende Regelung sind die notwendigen Kosten in den Budgetverhandlungen kaum durchsetzbar, sodass die benötigten Weiterbildungsstellen nicht in ausreichender Zahl geschaffen werden können. Daher ist es unverständlich, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung bislang keine Regelungen zur stationären psychotherapeutischen Weiterbildung enthält.

Ambulant psychotherapeutische Bedarfsplanung
Wir begrüßen, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung den ohnehin hohen, im Zuge der COVID- 19-Pandemie noch gestiegenen, Bedarf an Psychotherapie für Kinder und Jugendliche und deren Hindernisse bei der Suche nach einem Psychotherapieplatz aufgrund eingeschränkter Mobilität anerkennt. Wir begrüßen daher den Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss, eine eigene Arztgruppe mit separater Bedarfsplanung für psychotherapeutisch tätige Ärztinnen sowie Psychotherapeutinnen, die überwiegend oder ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln, zu schaffen.

Für uns nicht nachvollziehbar hingegen ist die fehlende Berücksichtigung des hohen psychotherapeutischen Bedarfs Erwachsener. Punktuelle Anpassungen durch Sonderbedarfszulassungen wie die im Kabinettsentwurf vorgeschlagene Sonderbedarfszulassung für Behandlungen von Komplexerkrankungen, deren Einrichtung zudem von zeitaufwendigen Einzelfallentscheidungen abhängt, können die flächendeckend langen Wartezeiten auf eine Psychotherapie nicht reduzieren. Auch vorübergehende Ermächtigungen lösen das Problem nicht nachhaltig. Eine Neubestimmung der regionalen Verhältniszahlen, orientiert am aktuellen realen Bedarf, ist notwendig. Dieser Bedarf sollte analog zur Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche basierend auf aktuellen Daten bestimmt werden. Mit einer Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung käme die Bundesregierung dem Versprechen ihres Koalitionsvertrags nach. Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz sollte deshalb nicht nur für die Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche, sondern für alle Altersgruppen einen gesetzlichen Auftrag an den G-BA beinhalten.

Um die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland auch langfristig zu sichern, benötigt es noch in dieser Legislaturperiode eine ausreichende gesetzliche Regelung zur Finanzierung aller Teile der ambulanten und stationären psychotherapeutischen Weiterbildung sowie eine erneuerte und stärker differenzierte Bedarfsplanung. Entsprechende Regelungsvorschläge wurden bereits unter anderem von der Bundespsychotherapeutenkammer vorgelegt und müssen nun dringend im Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) umgesetzt werden.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen dabei gerne zur Verfügung.

Das PtW Forum und gezeichnet der Konferenzrat des PsyFaKo e.V.